Und noch ein Comic: Die Invasion aus dem All

Prolog

Ich werde immer wieder gefragt, wie ich dazu gekommen bin, als junge Biologin in den Weltraum zu fliegen.

Ich bin nicht der typische Technik-Freak, wie viele meiner Kollegen in der Forschung. Natürlich habe ich einen Computer, kann meine Emails lesen und beantworten oder damit etwas schreiben. Selbstverständlich habe ich ein Smartphone, aber hauptsächlich, um damit zu telefonieren oder Sarah schnell mal eine Textnachricht zu schicken.

Doch ansonsten will ich von der Technik nicht viel wissen.

Ich bin kein Profi oder einer dieser Nerds, die Tag und Nacht nichts anderes tun, als am Computer zu sitzen, an irgendeiner Maschine herumzuschrauben oder in einem Internetforum über die neusten Trends in der Weltraumtechnologie zu debattieren.

Und trotzdem bin ich für die meisten Menschen, die nach meinem großen Auftritt in der Öffentlichkeit immer das ‚Mädchen aus dem Weltraum‘ geworden.

00 Manuela 1

Ich bin kein Profi oder einer dieser Nerds, die Tag und Nacht nichts anderes tun, als am Computer zu sitzen, an irgendeiner Maschine herumzuschrauben oder in einem Internetforum über die neusten Trends in der Weltraumtechnologie zu debattieren.

Und trotzdem bin ich für die meisten Menschen, die nach meinem großen Auftritt in der Öffentlichkeit immer das ‚Mädchen aus dem Weltraum‘ geworden.

Es ist wahr – ich verbringe den größten Teil meines Lebens auf einem Planeten weit weg von der Erde und meine besten Freunde sind Außerirdische.

Ich gehöre nicht zu der Generation, die mit der Faszination der ersten bemannten Raumflüge aufgewachsen ist und ich finde die Science Fiction-Geschichten, die ständig im Fernsehen wiederholt werden, langweilig und belanglos.

Dennoch habe ich den Ruf, eine Expertin für interstellare Beziehungen zu sein. Immer wieder werde ich zu Talkshows eingeladen, um meine Geschichte zu erzählen und unzählige Fragen beantworten.

Schließlich habe ich mich überreden lassen, die Geschichte meiner abenteuerlichen Reise zum Planeten Solqos aufzuschreiben.

Die Ankunft von Fremden

Unbarmherzig riss mich der Wecker aus dem Schlaf. Es war halb sechs und ich hatte noch eine Menge zu tun, bevor ich zur Arbeit fahren musste.

In den Ställen warteten meine Tiere darauf, ihr Futter zu bekommen. Ich musste im Pferdestall ausmisten und bei den Hühnern die frisch gelegten Eier einsammeln.

Meine beste Freundin Sarah würde später vorbeikommen, die Pferde auf die Koppel bringen, die beiden Kühe melken und die Eier abliefern. Ohne sie hätte ich keine Chance, das ganze Pensum zu erledigen.

Nach dem schrecklichen Unfall meiner Eltern hatte ich nicht lange gezögert und mich entschieden, den Hof weiterzuführen, obwohl es jeden Tag ein unbarmherziger Kampf war, alles geregelt zu kriegen. Doch es war mein Zuhause, ich liebte meine Tiere und brachte es einfach nicht übers Herz, alles hinzuwerfen und zu verkaufen.

Eine Stunde später war die wichtigste Arbeit erst einmal erledigt und ich sprang unter die Dusche, während die Kaffeemaschine ihren Teil der Arbeit leistete.

Nach der Schule hatte ich Biologie studiert und in einem Forschungslabor eine Arbeit gefunden. Mit dem Auto war ich eine halbe Stunde unterwegs, doch ich nahm das gerne in Kauf, obwohl es extrem lästig war, jeden Morgen im Berufsverkehr im Stau zu stecken und die Zeit totzuschlagen.

Falko war mein liebstes Pferd und mit ihm über die Wiesen und Felder zu galoppieren der beste Zeitvertreib, den man sich vorstellen konnte.

Er wartete im Stall schon auf mich und begrüßte mich mit einem munteren Schnauben.

„Ja, mein Süßer“, sagte ich zu ihm, „ich hab dich auch vermisst. Aber jetzt geht es endlich hinaus in die Freiheit!“

Der schnelle Ritt tat uns beiden gut. Das war besser, als jeder andere Zeitvertreib, um für eine Weile alles hinter sich zu lassen.

02 Riding 2

Unbemerkt von uns beiden erschien über dem Wald ein helles Licht, das aus den Wolken herabschwebte und sich im Wald verlor.

Die Sensationspresse hatte mal wieder eine Schlagzeile.

UFOs im Maienwald gelandet.
Droht uns eine Invasion aus dem All?

Die Fotos waren dieses Mal besser, als die üblichen verwaschenen Bilder, und der Fotograf, der sie beim Spazierengehen im Wald mit seinem Smartphone geschossen hatte, war für einen Tag lang ein berühmter Mann.

Dann druckte die Presse die Meinung eines ‚Experten‘, der mit drastischen Worten beteuerte, die UFO-Sichtung wäre blanker Unsinn wie alle anderen Verschwörungstheorien, die nur der Unterhaltung dienten und für die es keinerlei Beweise gab, und damit war die Geschichte erledigt.

Mich ließ das Thema völlig kalt. UFOs interessierten mich nicht und der Weltraum bestand für mich nur aus einem Sternenhimmel, der in einer klaren Nacht ein beeindruckender Anblick war.

Eine außerirdische Begegnung

Endlich kam das Wochenende und ich konnte mich noch einmal im Bett umdrehen, als ich kurz nach sechs erwachte.

Eine halbe Stunde noch, sagte ich zu mir, dann werden die Kühe ungeduldig.

Nach Kuhstall, Dusche und einem gemütlichen Frühstück ließ ich es ruhig angehen. Ich nahm mir Zeit, Falko zu striegeln und er freute sich schon, als ich ihn aufzäumte und den Sattel brachte.

„Komm, mein Guter“, sagte ich zu ihm, „heute machen wir einen kleinen Ausritt.“

Er schnaubte aufgeregt, fast so, als hätte er mich verstanden.

Gemütlich trabten wir aus dem Hof und in Richtung Waldrand.

Ich ließ Falko antraben. An diesem Morgen waren noch nicht viele Menschen unterwegs und ich musste nicht ständig den eBike-Fahrern ausweichen, die bei schönem Wetter die Wanderwege in Beschlag nahmen.

03 Alien 3

Ich sah den Fremden misstrauisch an. Wie konnte er das wissen? Selbst ein Tierarzt fand nicht so schnell heraus, was einem verletzten Tier fehlte.

„Wie kannst du das wissen?“ fragte ich ihn, „du hast ihn ja nicht einmal berührt!“

„Dein Pferd hat es mir gesagt“, antwortete er als hätte ich etwas völlig Dummes gefragt, „der Rest war einfach – er ist ja wie du auch ein kohlenstoffbasierter Organismus.“

„Wer bist du? Und wo kommst du her?“

„Man nennt mich Saederion. Wir kommen vom Planeten Solqos und sind gestern hier gelandet“, erklärte er mir.

„Na, dann willkommen auf der Erde“, lachte ich, „unsere Sprache kennst du ja schon. Ich bin Manuela und mein Pferd heißt Falko.“

„Schön euch zu treffen, Manuela und Falko“, antwortete er, „klar kenne ich eure Sprache. Ich musste mir nur die Sprachdatei aus deinem Gehirn herunterladen. Es ist ja nicht das erste Mal, dass wir irgendwo landen und Einheimischen begegnen.“

„Ich würde gerne mehr von deinem Heimatplaneten erfahren“, sagte ich, „aber ich muss mich erst um Falko kümmern. Sein Bein muss versorgt werden und ich sollte nicht auf ihm nach Hause reiten, solange es ihm wehtut.“

„Ach, das ist kein großes Problem“, antwortete er und lächelte.

Dann beugte er sich zu Falkos Bein hinunter, legte seine Hände auf die schmerzende Stelle und irgendetwas geschah, was ich nicht verstand.

„So, das wäre erledigt.“

Falko wieherte dankbar und ich merkte ihm sofort an, dass seine Schmerzen auf geheimnisvolle Weise verschwunden waren.

Die Bedrohung aus dem All

Mitten in der Nacht wurden die Mitglieder des UN-Sicherheitsrats unsanft im Schlaf unterbrochen und zu einer dringenden Sitzung einberufen.

Dieses Mal handelte es sich nicht um eine Katastrophenübung oder eine zweifelhafte UFO-Sichtung irgendwo in der Provinz, die ein Typ gemeldet hatte, dem sowieso niemand glaubte.

„Wir befinden uns im Verteidigungsfall“, erklärte der Verteidigungsminister den Anwesenden, „in der Umlaufbahn der Erde sind Raumschiffe aufgetaucht, die nicht in friedlicher Absicht zu uns gekommen sind. Mehrere Satelliten unseres Frühwarnsystems wurden zerstört und in Südostasien sind drei große Städte angegriffen und zerstört worden.“

Jetzt waren alle hellwach. Ein Angriff von Außerirdischen auf die Erde? Gab es Pläne, wie man darauf reagieren konnte?

Noch gab es nicht viele Fakten, doch auf den großen Bildschirmen an den Wänden wurden ständig die neusten Informationen angezeigt, sobald die Analysten zu neuen Erkenntnissen gekommen waren.

„Was sagen denn unsere Experten?“ wollte einer der Berater wissen, „wenn wir noch mehr Satelliten verlieren, sind wir mehr oder weniger blind. Abgesehen davon, dass dadurch unsere Kommunikationssystem weltweit gestört werden.“

15 Attack 4

Saederion war an diesem Abend extrem still.

„Was ist los?“ fragte ich ihn besorgt, „ist irgendetwas nicht in Ordnung?“

„Das kann man wohl sagen“, antwortete er, „der Krieg hat begonnen. Unsere Raumschiffe haben damit angefangen, die Erde anzugreifen und eure Armeen wollen sie vernichten.“

„Dann musst du gehen“ fragte ich ihn, „und mit deinen Leuten kämpfen?“

„Nein, ich bleibe hier. Es ist nicht mein Krieg. Auf Solqos gibt es zwei verfeindete Gruppen. Die Anhänger unserer Herrscher und den Widerstand. Nicht alle Solqoner sind mit dieser Invasion einverstanden. Ich bin auf der Seite des Widerstands und suche Unterstützung für unsere Sache.“

„Auf meine Hilfe kannst du zählen“, versprach ich ihm, „obwohl ich keine Ahnung habe, was ich dazu beitragen kann. Ich bin nur eine Biologin, aber wenn es irgendetwas gibt, was ich tun kann, um dich zu unterstützen, werde ich es tun.“

Er lächelte und es war ein wenig Hoffnung in seinen Augen zu sehen.

„Danke, Manuela“, sagte er, „du bist eine echte Freundin. Komm mit nach Solqos und hilf uns, die Verhältnisse dort zu verändern. Vielleicht können wir doch etwas von euch lernen.“

„Doch wie kommen wir nach Solqos? Ich nehme an, wir können nicht einfach einen Flug buchen.“

„Nein“, lachte Saederion, „wir brauchen ein Raumschiff. Leider ist das Schiff, mit dem ich gekommen bin, schon wieder unterwegs. Kannst du uns eines besorgen?“

„Hmm, das ist… kompliziert“, antwortete ich, „ich weiß, woher ich einen Mähdrescher oder einen Transporter mieten kann. Aber ein Raumschiff? Ich habe keine Ahnung, wo ich eins auftreiben kann.“

„Dann müssen wir jemand finden, der eins hat und uns mitnehmen kann.“

Unerwartete Unterstützung

Saederion fand die Art der Informationsverteilung in einem planetenweiten Netzwerk interessant, auch wenn er der Meinung war, dass es mühsam war, vor einem Bildschirm zu sitzen und mit Maus und Tastatur herumzutippen, bis man die gewünschte Information irgendwo zufällig fand.

„Das Netz ist ja nicht gerade intelligent, auch wenn man dort vieles finden kann.“

„Das Problem ist meistens, dass man zu viel findet“, antwortete ich entnervt, „und die Seiten, die uninteressant sind, ganz oben auf der Liste mit den Suchergebnissen erscheint. Aber man findet für viele Fragen Antworten, wenn man weiß, wie man damit umgeht.“

04 SpaceStation 5

Gegen Abend rief Bouchard mich zurück.

„Wir haben grünes Licht vom Institut, der ‚Global Space Organisation‘ und unserem Sponsor“, berichtete er, „wann können Sie uns ihr außerirdischer Freund in Toulouse sein?“

„Ich versuche einen Flug zu finden, der einen Außerirdischen mitnimmt“, antwortete ich.

„Das wird nicht funktionieren. Aber unser Sponsor kann Sie beide mit einem Privatjet nach Toulouse bringen. Der Start ist für übermorgen geplant. Sie verbringen eine Woche auf der Station und wir starten übernächsten Donnerstag nach Solqos.“

„Prima“, antwortete ich, „wir sind jederzeit bereit zu starten.“

Ein neues Zuhause

Einige Tage später landeten wir dann tatsächlich auf dem Planeten Solqos und ich war froh, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben und der Enge der Raumstation und der Rakete zu entkommen.

Natürlich war es aufregend, durch den Weltraum zu reisen, interessante Menschen kennenzulernen und Zeit mit ihnen zu verbringen.

Doch die ganze Technik auf engstem Raum und der Mangel an Privatsphäre war nur eine Weile erträglich.

Irgendwann gingen uns auch die Gesprächsthemen aus. Bei der Physik und den Experimenten konnte ich nicht mitreden und schnell erkannte ich, dass in meiner Gegenwart oft die Gespräche verstummten.

Es war ein fraktonischer Raumkreuzer, der auf der Raumstation einen Zwischenstopp einlegte, Waren auslud und Passagiere an Bord nahm. Ich war froh, dass Saederion ihre Sprache verstand und arrangierte, dass sie uns nach Solqos mitnahmen.

Der Flug von der Raumstation zum Planeten dauerte vier Tage und irgendwann war es langweilig, dann nervte es, stillzusitzen und die Zeit totzuschlagen.

05 Surface 6

Mein neues Zuhause auf Solqos lag etwas außerhalb von Mihrat. Wir bestiegen eine Art selbstfahrendes Taxi, dass wenige Meter über dem Boden schwebte, mit einer beängstigenden Geschwindigkeit durch die Stadt sauste und nach wenigen Minuten zwischen einer kleinen Siedlung kugelrunder Behausungen landete.

Saederions Familie lebte in einem der größeren Häuser und wir wurden sogleich von vielen Solqonern umringt, die mich neugierig ansahen und munter in einer fremden Sprache durcheinander redeten.

Saederion nahm mich an der Hand und stellte mich einer von ihnen vor.

„Mutter, das ist Manuela“, erklärte er feierlich, und jetzt konnte ich zum Glück verstehen, was er sagte, „sie ist eine gute Freundin von der Erde und unser Gast. Sie ist das erste Mal durchs All gereist und möchte versuchen, uns zu helfen.“

„Herzlich Willkommen, Manuela“, begrüßte sie mich herzlich, „Saederion hat mir versichert, dass ihr Menschen keineswegs bösartig und feindselig seid. Wir sind neugierig, dich kennenzulernen, und wie ich unsere Sippe kenne, wirst du viele Fragen beantworten müssen.“

Doch dafür war noch lange Zeit. Zuerst zeigte mir Saederion unser Quartier in einer Nische des großen Raums. Möbel fand man hier nicht, doch es gab ein gemütliches Lager auf dem Boden aus weichen Stoffen und Polstern, die mit unseren Kissen nicht viel Ähnlichkeit besaßen, aber den gleichen Zweck erfüllten.

„Du kannst in Bad nehmen, wenn dir danach ist“, schlug Saederion vor, „oder wir gehen zuerst etwas essen.“

Eine Welt im Wandel

Mihrat war eine riesige Stadt. Ich war überwältigt von dem weitläufigen Netz an Straßen und kleinen Gassen, in denen ich mich vermutlich nie zurechtfinden würde.

„Gibt es hier sowas wie einen Stadtplan?“ fragte ich Saederion, der mich nur erstaunt ansah.

„Es ist doch leicht“, sagte er, „du denkst deinen Weg. Oder du nimmst das Hovercraft. Es bringt dich überall hin, ohne dass du dir Gedanken machen musst.“

„Das mag schon sein“, lachte ich, „doch die Schriftzeichen auf den Schildern sind so kryptisch, dass ich damit nicht viel anfangen kann.“

„Am einfachsten kannst du dich an den Türmen des Palastes orientieren“, schlug er vor, „sie sind von weitem gut zu sehen und bringen dich immer ins Zentrum von Mihrat. Oder du fragst einfach jemanden. Die Shulvu sind immer bereit, dir den Weg zu zeigen oder dich hinzuführen.“

„Was sind denn Shulvu?“

„Das sind Leute wie ich“, erklärte er mir, „du erkennst sie an ihrer blauen Hautfarbe. Aber nimm dich vor den Dullith in acht. Sie sind unberechenbar und gefährlich.“

06 Mihrat 7

Das Treffen der Gruppe fand an einem der nächsten Abende statt. Ich versuchte, Saederion zu überreden, mich zu begleiten, doch er beharrte darauf, dass es zu gefährlich war, sich mit Dullith und Bhorlain einzulassen.

„Dullith sind gefährlicher, als sie auf den ersten Blick erscheinen“, sagte er mit ernster Überzeugung, „und du solltest es nicht riskieren, einem von ihnen unbewaffnet gegenüberzutreten.“

„Ich vertraue Kaylee“, widersprach ich, „und die Gruppe hat dieselben Ziele wie wir. Sie wollen den Krieg beenden und sich für mehr Gerechtigkeit einsetzen. Was kann daran falsch sein?!“

„Du gehst ein hohes Risiko ein“, warnte er mich.

Natürlich war mir klar, dass der Widerstand gegen die Ungerechtigkeit auf Solqos kein Sonntagsspaziergang war, doch was war dieses Risiko gegen die Gefahr, in die sich unsere die Krieger in den Raumschiffen, die die Erde gegen die feindlichen Eindringlinge verteidigten, jeden Tag begaben?!

Entdeckungsreise

Das Stadtleben war mir nach einer Woche zu viel. Meine Zeit war zwar mit vielerlei Aktivitäten ausgefüllt, doch ich vermisste Nero, meine Hühnerschar, den Wald und die Felder und mein Leben in der Natur.

Ich verbrachte viel Zeit mit Saederion, Kaylee und anderen Mitgliedern der Bewegung, doch ich brauchte dringend eine kleine Auszeit.

„Könnt ihr mir nicht irgendwo ein Pferd auftreiben?“ fragte ich Kaylee, „ich muss mal wieder raus ins Grüne.“

Sie sah mich fragend an. Von Pferden hatte keiner der Solqoner jemals etwas gehört. Saederion erklärte den anderen mit fremden Worten, welche Tiere es auf der Erde gab und dass ich eine große Familie von Hühnern, Kühen, Schafen und einem Pferd um mich herum hatte, doch das war ihnen fremd.

„Hier gibt es höchstens Dolquire und Pratomufties“, wusste Kaylee, „doch nicht hier in der Stadt. Aber du kannst mit dem Hovercraft in einen der Außenbezirke von Mihrat fahren. Oder ich besorge dir ein Hoverboard.“

„Aber erwarte nicht, dass es dort draußen grün ist, wie auf der Erde“, grinste Saederion, „hier sind Pink und Violett die vorherrschenden Farben unserer heimischen Botanik.“

07 Hoverboard 8

Das Hoverboard war natürlich kein Pferd, aber es war besser als ein Fahrrad oder ein Mofa. Es war leicht zu steuern und es machte Spaß, damit durch die Straßen der Stadt zu schweben.

Schnell hatte ich die Stadtgrenze erreicht und schwebte über eine einzigartige Landschaft.

Von Grün war tatsächlich nicht viel zu sehen, doch die violette Landschaft hatte ihren eigenen Charme. Weite Wiesen in einem leuchtenden Rosarot und Pflanzen in Violett und Purpur umgaben mich. Auch Wälder, die in diesen Farben leuchteten, gab es hier.

Ich sah mich um und staunte über die Schönheit der fremden Landschaft, die mich umgab. Es war unbeschreiblich, welche Farben und Formen auf diesem Planeten entstanden waren.

Die Wiesen waren wie auf der Erde von niedrigem Wuchs und die Grashalme sahen aus, als hätte man sie mit Moos gekreuzt. Büsche aus Pflanzen mit zierlichen Blättern standen am Waldrand.

Die Bäume waren niedriger, als auf der Erde, und ihre Äste miteinander verschlungen, als bildeten sie eine riesige Familie. Auf den ersten Blick konnte ich mehrere unterschiedliche Arten feststellen, die sich mit ihren unterschiedlichen Farbtönen zu einem zauberhaften Bild zusammenfügten. Einige der Bäume trugen filigrane Blätter, die blassrosa schimmerten, andere waren länglich und sahen aus, wie ein Korallenriff, und wieder andere sahen aus, als trugen sie grell rosarote Nadeln.

07 Manuela 9

Langsam bekam ich ein bisschen Hunger und ich suchte mir einen Platz am Ufer, wo ich rasten wollte.

Ich legte den Rucksack auf den Boden und zog meine Schuhe aus. Ob das Wasser zum Baden warm genug war?

Als ich in meinem Rucksack nach den Früchten suchte, die ich mitgenommen hatte, bemerkte ich, dass ich zwar meinen Badeanzug dabei hatte, aber kein Handtuch.

Rasch zog ich mich um und streckte einen Fuß ins Wasser. Es war frisch, aber das war mir egal. Kurz entschlossen sprang ich ins Wasser um zu schwimmen.

Das Bad tat gut und weckte meine Sinne. Es tat gut, das Wasser auf meiner Haut zu spüren und die Herrlichkeit dieses Ortes nicht nur zu sehen, sondern auch zu spüren.

Nach dem Baden ließ ich mich von der solqosischen Sonne trocknen und genoss die Wärme, den Duft der fremden Welt und den fantastischen Anblick.

Hier könnte ich es eine Weile aushalten. Falls ich mich irgendwann entscheiden sollte, mich auf diesem Planeten niederzulassen, wäre das der ideale Ort dafür.

Ob sich Nero hier wohlfühlen würde?

Es war einen Versuch wert. Doch was wurde dann aus dem Hof, den Schweinen, Schafen und meiner Hühnerschar?

König des Schreckens

Der solqosische König Vrorkuix wurde von fast allen seinen Untertanen gefürchtet und gehasst. Mit eiserner Hand regierte er sein Volk und seine Anordnungen wurden nicht einmal von seinen Beratern in Frage gestellt.

Kaylee hatte mich gewarnt.

„Du wirst nichts erreichen“, hatte sie vorhergesagt, „er wir nicht mit sich reden lassen und du bringst dich nur selber in große Gefahr.“

„Trotzdem sollte ich versuchen, ob ich mit ihm reden kann“, beharrte ich, „schließlich bin mich weit gereist, um etwas zu verändern. Wir können doch nicht tatenlos zusehen, wie die Gewalt immer weiter eskaliert.“

„Und warum sollte er ausgerechnet auf dich hören?“ wandte Kaylee ein, „du bist ja nicht die erste, die versucht, ihn zur Vernunft zu bringen!“

„Na ja, ich komme immerhin von der Erde. Ich bin zwar keine offizielle Abgesandte, die im Auftrag der Vereinten Nationen mit ihm verhandelt, doch wenn ich schon mal hier bin, wird er mich wohl empfangen und sich ein paar Minuten Zeit für mich nehmen.“

Jedenfalls zog ich meine besten Sachen an, machte mich auf den Weg in den Palast, sprach bei einem Assistenten des Zeremonienmeisters vor und bat um eine Audienz bei König Vrorkuix.

08 King 10

Heute ist mir klar, dass ich an diesem Tag zwei schreckliche Fehler gemacht habe, die ich nicht wieder gutmachen kann und die unsere Gruppe in beträchtliche Schwierigkeiten gebracht hat.

Ich hatte es gut gemeint und nicht auf die deutlichen Warnungen gehört. In meiner grenzenlosen Naivität hatte ich angenommen, man könnte mit dem König reden, wie mit einem normalen und vernünftigen Menschen.

Ich hatte die Bösartigkeit des Mannes unterschätzt, weil ich immer an das Gute im Menschen glaubte und dachte, mit Vernunft und guten Argumenten könnte ich ihn überzeugen.

Und ich hatte nicht an die Konsequenzen für unsere Widerstandsgruppe und mich gedacht, die meine Aktion haben würde und uns alle in beträchtliche Schwierigkeiten bringen sollte.

Natürlich hatte ich auch nicht damit gerechnet, dass mir jemand unauffällig folgen würde, und hatte sie direkt ins Hauptquartier des Widerstands geführt.

Eine gefährliche Flucht

Es war eine unserer regelmäßigen Lagebesprechungen. Reihum berichteten die Rebellen der Widerstandsgruppe von ihren Aktionen, erklärten neue Ideen und diskutierten lebhaft, welche Aktionen wir als nächstes durchführen wollten, um das Regime von König Vrorkuix zu zermürben, seinen Sturz vorzubereiten und neue Anhänger zu werben.

Wir diskutierten gerade, ob wir es schaffen würden, einen Sprengsatz ins Schloss zu schmuggeln, als Vrp’kal aufgeregt hereinstürmte.

„Sie haben unser Versteck entdeckt“, rief er atemlos, „wir müssen verschwinden – sofort!“

Die Krieger des Königs hatten bereits das Haus umstellt, so dass sofort klar war, dass wir nicht einfach aus dem Haus gehen und mit dem Hovercraft an einen sicheren Ort fahren konnten.

„Plan C“, sagte Kaylee ruhig, „über die Dächer und im World Markt runter in den Versorgungsschacht. Dort geht’s einen halben Kilometer durch das Labyrinth bis zum Ausstieg G43 und von dort nehmen wir die Hoverboards nach Valgriers. Vrp’kal und ich kennen die Strecke. Bleibt immer dicht hinter uns!“

Ich war kurz davor, in Panik zu geraten, doch Saederion schien meine Stimmung zu spüren. Er nahm mich an der Hand und flüsterte mir beruhigende Worte ins Ohr.

09 Flucht 11

Unsere Fahrt mit den Hoverboards führte uns durch herrliche Landschaften und ich wünschte, ich hätte die Zeit gehabt, mich hier etwas genauer umzusehen. Die Farben und Formen waren einfach ein bezaubernder Anblick.

Doch die Hoverboards waren schnell und ich brauchte meine volle Aufmerksamkeit, um den anderen zu folgen.

Ein Hoverboard war eine richtig coole Art zu reisen, auch wenn mir ein Pferd lieber gewesen wäre.

Auf jeden Fall musste ich irgendwann hierher zurückkehren. Ich war definitiv ein Landmensch und das geschäftige Leben in der Stadt war nicht mein Ding.

Wenn unsere Mission erfüllt war, würde ich mir die Zeit nehmen, mir alles in Ruhe anzusehen und vielleicht ein paar Fotos zu schießen, damit ich Sarah und meinen Freunden auf der Erde diese Schönheit zeigen konnte.

Pläne

Die Atmosphäre in unserem Exil war entspannt und optimistisch. Trotz unserer Unterschiede verstanden wir uns gut und ich lernte meine neuen Freunde nach und nach besser kennen.

Mit Kaylee verstand ich mich nach wie vor am besten, aber auch die mit den anderen Bhorlain und Shulvu verstand ich mich gut, während die wenigen Dullith meistens für sich blieben und nicht viel Kontakt zu uns suchten.

Vrp’kal bemühte sich sehr um mich und seine Aufmerksamkeit tat mir gut, obwohl er nicht wirklich mein Typ war. Aber er sah gut aus und engagierte sich sehr in der Gruppe.

Unsere Unterkünfte waren einfach, doch wir waren froh, dass wir hier in Sicherheit waren.

Immer wieder saßen wir zusammen, diskutierten unsere Ideen, wie wir das schreckliche Regime stürzen und die ungerechten Verhältnisse ändern konnten, doch es war nicht leicht, einen konkreten Plan zu machen, der uns nicht alle in große Gefahr brachte.

Vrp’kal war einer derjenigen, die mir vielen Ideen kam. Er ließ niemanden im Zweifel, dass er alles unternehmen würde, um den König zu stürzen, und machte deutlich, dass er selbst ihn töten wollte, selbst wenn es ihn sein Leben kostete.

Wie ich schien er lange Spaziergänge durch die bezaubernde Landschaft und wir hatten eine Menge Gelegenheit, unsere Pläne miteinander zu besprechen.

10 Meeting 12

Natürlich wurde Vrp’kals Vorschlag in unserer Gruppe kontrovers und emotional diskutiert. Während einige wie ich froh waren, endlich einen Plan zu haben, mit dem wir den schrecklichen König absetzen konnten, gab es auch zahlreiche Stimmen und Argumente, die dagegen sprachen.

„Vrp’kal hat schon Recht“, versicherte ich den anderen, „ohne einen Insider wird es schwierig, auch nur in die Nähe von König Vrorkuix zu gelangen.“

„Das Problem bei Doppelagenten ist aber, dass wir die ganz sicher sein können, ob er im Ernstfall tatsächlich auf unserer Seite steht“, wandte Kaylee ein.

„Hast du denn eine bessere Idee?“ wollte Vrp’kal wissen, dich Kaylee schüttelte nur den Kopf.

„Sie sind uns zahlenmäßig überlegen“, fasste sie zusammen, „das Risiko ist zu groß. Zwei Krieger gegen Hunderte wird nicht funktionieren.“

„Wir haben das Überraschungsmoment auf unserer Seite“, widersprach Vrp’kal, „und ich kenne mich im Palast bestens aus.“

„Das stimmt schon“, gab Kaylee zu, „aber Manuela ist keine erfahrene Kriegerin. Sie beherrscht das Schwert nicht gut genug, um einen Kampf gegen die Wachen zu überleben.“

Wir diskutierten hin und her und schließlich gingen den Verfechtern beider Standpunkte die Argumente aus.

„Lasst uns abstimmen“, schlug Kaylee vor, „die Mehrheit soll entscheiden, was wir tun werden.“

Verrat

Die Uniform war ein bisschen zu groß für mich, doch es fiel nicht weiter auf. Ich band meine Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen und verbarg sie unter dem Helm. Im Spiegel sah ich nun aus, wie einer von König Vrorkuixs Soldaten.

Er trug einen Dolch um Gürtel und zeigte mir die tödliche Waffe voller Stolz.

„Es wird mir ein großes Vergnügen sein, ihn zu benutzen“, behauptete er.

„Ich bin froh, dass du selbst es tun willst“, antwortete ich, „ich bin sicher, ich könnte es nicht tun.“

„Glaub mir, ich habe schon viele getötet. Shulvu und wertlose Dullith, aber hin und auch einen rebellischen Bhorlain. Wenn es nötig ist, dann ist es einfach.“

Vrp’kal hatte nicht zu viel versprochen. Mühelos gelangten wir an den Wachen vor dem Palast vorbei.

Unter strenger Bewachung wurden wir in eine Kammer geführt, wo wir warten sollten, bis wir zu unserer Audienz geholt wurden.

11 Prisoner 13

Endlich betrat Khalil den Raum. Er sandte die Wachen, die ihn begleiteten, vor die Türe und begrüßte Vrp’kal.

„Vrp’kal, mein Freund, du hast es tatsächlich geschafft, dieses aufsässige Mädchen hierher zu locken“, sagte Khalil zu ihm, „du wirst es nicht bereuen. Wir werden den Rebellen eine Lektion erteilen und ein Exempel statuieren.“

Ich brauchte einen Moment, bis ich wirklich verstanden hatte, was passiert war. Vrp’kal hatte mich und unsere ganze Gruppe verraten und mich an die Männer des Königs ausgeliefert.

Dämlicher Mist! In meiner grenzenlosen Leichtgläubigkeit hatte ich Vrp’kal vertraut und war in die Falle gegangen, wie eine Maus, die von einem Käsestückchen angelockt wird.

„Sie wird es unendlich bereuen, dass sie sich gegen uns gestellt hat“, fuhr Khalil fort, „wenn wir mit ihr fertig sind, schicken wir ihren hübschen Kopf auf die Erde um unsere Entschlossenheit zu demonstrieren. Doch zuerst will ich herausfinden, was sie weiß.“

„Ich werde Euch meine Notizen übergeben“, versprach Vrp’kal, „sie hat geplant, Ihre Majestät mit diesem Dolch zu ermorden und sich selbst zur Herrscherin krönen zu lassen.“

„Was für ein hinterhältiger und feiger Plan! Der Tod ist noch zu gut für sie. Sie soll den Dolch selbst zu spüren bekommen.“

„Was für ein Jammer“, seufzte Vrp’kal, „sie ist von so anmutiger Gestalt.“

„Die schönsten Mädchen bestrafe ich am liebsten selbst“, lachte Khalil, „wäre sie nicht so voll Bosheit, würde ich sie König Vrorkuix zum Geschenk machen und er würde uns mit Gold dafür belohnen.“

Um Haaresbreite

Inzwischen tobte außerhalb meiner Gefängnismauern nicht nur der Krieg mit den Flotten der Erde, sondern auch die Revolution. Immer mehr Solqoner schlossen sich der Widerstandsbewegung gegen das Terrorregime an und gingen auf die Straßen, um gegen die Übermacht der Soldaten zu kämpfen.

Von Khalil hatte ich für eine Weile meine Ruhe, doch die endlose Warterei zermürbt mich immer mehr. Stundenlang brütete ich in meinem kargen Verlies und hatte kaum noch Hoffnung, hier wieder lebend herauszukommen.

Ich hatte die Übersicht verloren, wie viele Tage ich nun schon eingesperrt war, und ich war nicht sicher, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war.

Zwischendurch ging ich in der engen Zelle auf und ab. Es war unerträglich, mich nicht frei bewegen zu können, und ich träumte von einem weiten Ritt durch das Land, ein Bad in dem See oder ein fröhliches Gespräch mit guten Freunden.

Und schließlich teilte mir einer von Khalils Männern mit, dass meine Hinrichtung am nächsten Tag bei Sonnenuntergang stattfinden würde und ich mich bereithalten sollte.

12 Kaylee 14

In der Nacht schlief ich kaum. Dauernd musste ich an mein bevorstehendes Ende denken. Würden sie mich foltern und misshandeln? Wie würden sie mich töten? Mit einer Laserpistole, einem Schwert, der Elektrische Stuhl?

Keine der Optionen erschien mir einigermaßen erträglich und in meinem schmutzigen Lumpen und den verfilzten Haaren war ich bestimmt ein schreckliches Bild des Jammers. Durfte ich am Ende wenigstens noch einen letzten Wunsch äußern? Ich hätte gerne Saederion noch einmal gesehen…

Eine der Wachen riss mich aus dem Grübeln.

„Besuch für dich!“ verkündete er und entriegelte die schwere Tür meiner Zelle.

Eine Magd in einem einfachen Gewand betrat den Raum.

„Zeit für ein letztes Bad in diesem Etablissement“, sagte sie zu mir und ihre Stimme kam mir merkwürdig bekannt vor, „ich habe dir etwas Frisches zum Anziehen mitgebracht und ein heißes Bad einlaufen lassen.“

„Kaylee??!“ fragte ich sie verblüfft, „was machst du denn hier?“

„Ich helfe dir beim Baden“, antwortete sie und grinste, „du willst doch nicht so verwahrlost die Flucht ergreifen, oder?“

„Aber… wieso…?“

„Das erzähle ich dir später“, versprach sie mir und lächelte, „sonst wird das Badewasser noch kalt.“

Exil

Fovrier war eine alte Siedlung in der Provinz deren Bewohner in Armut lebten. Die Häuser waren größtenteils verfallen und auf den Straßen und Plätzen stapelte sich Schrott und Müll.

Hier lebten überwiegend Dulliths und Shulvas, aber auch ein paar wenige Bhorlains, die aus der Hauptstadt geflohen waren, um sich dem Einfluss des Regimes zu entziehen.

Hier gab es keine Soldaten, die für Ruhe und Ordnung sorgten, und trotzdem kamen die Bewohner mehr oder weniger miteinander klar.

Ich ging zu der Adresse, die Kaylee mir gegeben hatte, und klopfte an die Türe. Erst als ich heftiger dagegen hieb und laut rief, hörte ich Schritte im Inneren und eine ältere Frau mit knallroten Haaren und einem schäbigen Overall öffnete.

„Hey, ich habe deine Adresse von Kayl…“

„Kein Namen“, unterbrach sie mich, „wie kann ich dir helfen?“

„Ich hatte eine kleine Auseinandersetzung mit Khalil und musste verschwinden“, antwortete ich, „jetzt suche ich einen sicheren Ort, wo ich eine Weile leben kann.“

13 Fovrier 15

Als ich durch die verlassenen Straßen von Fovrier, umwehte mich ein Hauch vergessener Zeiten. Die einst bewohnte Siedlung war nun nur noch ein Schatten ihrer selbst. Gebäude, einst stolz und lebendig, ragten nun als traurige Ruinen empor, von der Zeit gezeichnet und von der Natur zurückerobert.

Die Straßen, einst belebt und voller Gespräche, waren nun mit Stille erfüllt. Das Echo meiner Schritte war das einzige Geräusch, das durch die verlassenen Gassen hallte. Überwachsene Überreste einstiger Häuser und Geschäfte erzählten stumme Geschichten von vergangenen Tagen, als das Leben hier blühte.

Die einst Farben der Fassaden waren von der Sonne gebleicht, und die Spuren der Vernachlässigung waren unübersehbar. Fenster, einst die Augen zur Welt der Bewohner, waren jetzt blind, viele Scheiben zersprungen und von Ranken überwuchert.

In den verlassenen Häusern hingen zerrissene Vorhänge, die im leichten Hauch des Windes flatterten. Verwitterte Spielzeuge lagen verstreut auf den verlassenen Spielplätzen, als warteten sie auf Kinder, die nie wiederkommen würden.

Die Gärten waren nun von Unkraut überwuchert und die Bäume neigten ihre knorrigen Äste dem Boden entgegen, als würden sie um die einstige Pracht trauern.

Es war, als ob die Geister der Vergangenheit in den Schatten lauerten, und schwer vorstellbar, dass dieses einst blühende Zentrum des Lebens nun ein Ort des Verfalls geworden war.

Eins der Häuschen fiel mir auf. Es wirkte auf den ersten Blick unscheinbar, doch bei näherer Betrachtung erkannte ich den Charme in seiner Schlichtheit. Die Mauern waren von der Zeit gezeichnet, mit abblätterndem Putz und verwittertem Holz, das einst die Fensterrahmen bildete. Die Tür quietschte protestierend, als ich sie öffnete, und Staubwolken tanzten im Sonnenlicht, das durch die morschen Fenster hereinfiel.

Aufbruch

Auch die Gruppe in Fovrier war dabei, Pläne zu machen. Eine der Ideen war, eine Drohne nach Mihrat zu schicken und den ganzen Palast mit einem Sprengstoffpaket in die Luft zu jagen.

Doch die Zahl der unschuldigen Opfer dieser Aktion wäre einfach zu hoch gewesen und alle waren sich einig, dass diese Maßnahme zu drastisch war, und so wurde dieser Plan wieder verworfen.

Ich selbst würde langsam unruhig. Mein Exil war sicher und angenehm, aber ich wollte etwas tun und wollte nicht länger tatenlos hier herumsitzen.

Es war beinahe befreiend, als Cruurqrui, eine der Dulliths einige Tage später an meine Türe klopfte.

„Ich habe eine wichtige Nachricht aus Mihrat für dich“, sagte sie und überreichte mir eine kurze Notiz.

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Wir hatten bis zu unserem Aufbruch noch ein paar Stunden Zeit. Ich traf Chloe und Layla und wir sprachen über unsere Angst vor dem, was nun vor uns lag.

„Ich möchte vor allen Dingen Khalil nicht in die Hände fallen“, sagte ich zu ihnen, „lieber sterbe ich im Kampf. Er wird mich kaum begnadigen, sondern mich foltern, bevor er mich tötet. Ich habe ihm zu viel Ärger gemacht.“

„Dann sollten wir zu mindestens versuchen, dir ein anderes Aussehen zu verpassen“, damit er dich nicht gleich erkennt, „meinte Layla, bei uns gibt es nicht viele Frauen mit langen blonden Haaren.“

„Dann schneiden wir sie“, schlug ich vor.

„Und färben sie schwarz“, grinste Chloe, wir haben noch etwas Zeit dafür.

„Gute Idee. Hast du eine Schere!“

„Schere? Ich schneide sie dir mit meinem Dolch!“

Die beiden Mädchen überschlugen sich fast vor Eifer, als sie sich an die Arbeit machten. Layla konnte hervorragend mit ihrem Dolch umgehen und es war ein trauriger Anblick meine Haare auf dem Boden zu sehen.

Gemeinsam färbten sie meine Haare, kämmten und föhnten sie.

Als ich mich schließlich im Spiegel erblickte, staunte ich nicht schlecht. Ich war kaum wiederzuerkennen.

Die Rettung der Welt

Am folgenden Tag wurde es ernst. Der Widerstand ging in eine neue Phase und wir waren alle nervös und aufgeregt, was der Tag uns bringen würde – den Sieg oder den Tod.

Kaylee und ein paar andere der Widerstandsgruppe von Solqos trafen uns in unserem Versteck. Ich freute mich riesig, Kaylee zu sehen, und fiel ihr um den Hals.

„Gut siehst du aus“, sagte sie zu mir, „ich hörte dich beinahe nicht erkannt. Die Landluft scheint dir gutzutun.“

„Ich bin auch nicht wirklich ein Stadtmensch“, antwortete ich, „in Fovrier habe ich mich sehr wohlgefühlt und die Gruppe dort hat mich mit offenen Armen empfangen.“

„Nun, wir werden heute dafür sorgen, dass du auch in Mihrat willkommen bist“, versprach sie mir, „und du frei bist, zu leben wo immer du möchtest.“

„Ich bin bereit“, sagte ich und lächelte. Kaylee war inzwischen fast so eine gute Freundin für mich, wie Sarah es auf der Erde war.

Wir trafen uns zu einer Lagebesprechung und Kaylee besprach mit uns den Plan. Sie selbst würde eine Gruppe anführen, die in den Palast eindringen und Khalil unschädlich machen würde.

„Viele der Soldaten kämpfen inzwischen an verschiedenen Stellen in der Stadt, so dass wir in der Überzahl sind“, erklärte sie, „viele von ihnen sind längst nicht mehr bereit, für den König zu sterben und hoffen wie die meisten hier auf einen Erfolg unserer Revolution. König Vrorkuix selbst ist ohne Khalil inzwischen keine ernsthafte Bedrohung mehr und wir haben an einigen Stellen in seinem Hofstaat unsere Leute sitzen.“

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Kaylee und eine Handvoll unserer erfahrensten Krieger betraten den Palast und den Thronsaal.

„Khalil, was hast du auf dem Thron verloren?“ rief Kaylee ihm zu, „du bist nicht unser legitimer Herrscher!“

„Ich vertrete Seine Majestät und regle in seinem Auftrag ein paar Dinge“, antwortete er hochnäsig, „wenn du ein Anliegen hast, musst du wie alle anderen warten, bis du an der Reihe bist.“

„Ich habe nur ein einziges Anliegen“, fauchte Kaylee, „unser Volk von diesem Terrorregime zu befreien!“

„Ergreift sie!“ befahl Khalil den Wachen, doch sie zögerten einen Augenblick zu lange und standen plötzlich einer Horde Rebellen gegenüber.

„Räum‘ den Thron!“ rief Kaylee Khalil zu, „du hast lange genug hier den König gespielt und das Volk von Solqos unterdrückt, Dullith und Shulvu diskriminiert, misshandelt, verfolgt, gequält und misshandelt. Du hast dich am Wohlstand unseres Volks bereichert und diesen unnützen Krieg begonnen, der schon zu vielen Soldaten das Leben gekostet und unzählige unschuldige Opfer gefordert hat.“

„Und wenn schon“, versuchte er sich rauszuwinden, „es war die Entscheidung von König Vrorkuix, dem legitimen Herrscher von Solqos. Ich habe ihn nur beraten.“

„Genug der schönen Worte. Kämpfe wie ein Mann, oder stirb!“

„Hey, ich werde doch keiner Frau etwas zuleide tun!“

„Ich bin eine Kriegerin“, antwortete Kaylee, „und wenn du zu feige bist, dich mit mir zu messen, kannst du unser Volk nicht anführen!“

Jetzt wurde Khalil wirklich wütend, ergriff sein Schwert und stürzte auf Kaylee zu.

„Dir werd‘ ich’s zeigen, du törichtes Weib“, schrie er, „du wirst um Gnade winseln, doch es wird dir nichts nützen. Du wirst den Tod herbeisehnen, doch der ist zu gut für dich!“

Kaylee parierte seine Attacke ohne große Mühe. Im Gegensatz zu Khalil war sie ruhig und besonnen und wusste, dass er in seinem Zorn keinen klaren Kopf behalten würde.

Seine Attacken wurden von ihrem Schild abgefangen und Kaylee platzierte einen gezielten Stich auf Khalils Brustpanzer, der ihn zurückweichen ließ. Kaylee machte drei Schritte auf ihn zu und der Stahl ihrer Schwerter klirrte.

Khalil parierte und Kaylee wich einen Schritt zurück. Khalil sprang auf sie zu und stach mit dem Schwert in ihre Richtung, doch Kaylee trat zur Seite, stellte ihm ein Bein und brachte ihn ins Stolpern.

Blitzschnell stach sie zu und traf ihn in den Rücken.

Khalil schrie vor Schmerz auf und wandte sich wieder zu Kaylee um. Sie duckte sich und fing den Schwerthieb mit dem Schild ab.

Jetzt geriet Khalil in Rage. Wie ein Wilder fuchtelte er mit dem Schwert umher und versuchte, Kaylee zu erwischen, doch sie wich ihm geschickt aus und wartete, bis sich eine gute Gelegenheit bot.

Khalils Wunde blutete stark, doch er kämpfte blindwütig weiter, doch kaum einer seiner Angriffe waren mit Erfolg gekrönt.

Er stolperte wieder und Kaylee nützte ihre Chance. Ihr Schwert zischte durch die Luft und traf Khalils Hals.

Mitten in seiner nächsten Attacke stürzte er zu Boden und Kaylee hieb ihm den Kopf ab.

Der Beginn einer neuen Ära

Dank der solqonischen Raumfahrttechnologie, die der irdischen Technologie beim Flug über große Entfernungen deutlich überlegen war, dauerte meine Reise zurück zur Erde nur zwei Tage.

Etwas komplizierter war es, jemanden finden, der mich bei der Suche nach einem angemessenen Verhandlungspartner für die Aushandlung eines Friedensplans unterstützen konnte, doch auch in diesem Punkt konnte mir Pascal Bouchard weiterhelfen. Er stellte mir über die ‚Global Space Organisation‘ einen Kontakt zu einem Abgeordneten her, der jemand kannte, der unser Anliegen im UN-Sicherheitsrat auf die Tagesordnung brachte.

Ich wurde von einem Düsenjet abgeholt und war froh, dass ich das schwarze Gewand, das ich für meine Hinrichtung bekommen hatte, im Gepäck hatte.

Ich war ziemlich aufgeregt, als ich zu einem Treffen mit den Mitgliedern des Verteidigungsrats gebracht wurde, und war froh, dass Bouchard mich begleitete.

„Ich komme als Botschafterin der neuen Königin von Solqos“, begann ich meine kleine Rede, „nach dem Machtwechsel dort sucht die Regierung nach einer Lösung für diesen schrecklichen Konflikt. Ich habe das Volk der Solqoner kennengelernt und dort gute Freunde gefunden. Ich selbst war Zeuge des Aufstands, der zum Sturz von König Vrorkuix geführt hat.“

Ich berichtete von meiner abenteuerlichen Reise zu dem Planeten, meine unerfreuliche Begegnung mit Khalil und der Widerstandsbewegung, die den Machtwechsel geplant und den König gestürzt hatte.

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Eine Woche später kehrten ich mit einer ausgewählten Delegation prominenter Politiker und Wissenschaftler nach Solqos zurück. Dort waren die Vorbereitungen für Kaylees Krönungsfeier bereits in vollem Gang.

Kaylee und ihr Hofstaat erwarteten uns auf dem Raumflughafen in den Außenbezirken von Mihrat und die Begrüßung der Gäste war feierlich und sehr ergreifend.

„Ich heiße Sie im Königreich Solqos herzlich willkommen“, sagte Kaylee zu den Mitgliedern der Delegation, „und ich danke Ihnen für ihren Besuch und Ihre Bereitschaft, mit uns über Frieden und Zusammenarbeit zu sprechen. Auf Solqos wird sich vieles verändern und für uns ist es ein glücklicher Tag unserer Geschichte, Sie hier bei uns zu haben.“

Die Verträge waren schnell unterzeichnet und wir beantworteten zahllose Fragen der Besucher zu politischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Themen.

Und natürlich war die ganze Delegation zu dem großen Fest eingeladen, das uns erwartete.

Kaylee sah am Tag der Krönung hinreißend und würdevoll aus. Sie trug ein Gewand aus grziphotischem Samt und ein Collier, das mit Diamanten und Smaragden reich verziert war.

Die Zeremonie fand auf dem großen Platz vor dem Palast statt. Sehr viele Solqoner waren zu dem großen Ereignis gekommen und ich war froh, dass ich inmitten der Ehrengäste einen Sitzplatz bekommen hatte.

Kaylee hielt eine feierliche Rede, der die vielen Besucher sehr bewegte. Ihr wurde die Krone aufgesetzt und sie leistete ihren Eid.

Epilog

Ich sprach lange mit Sarah über die Zukunft und wir entschieden uns gemeinsam, dass sie den Hof weiterführen würde.

„Du kannst jederzeit vorbeikommen, wenn dir danach ist“, betonte sie, „ich werde dein Zimmer immer für dich freihalten.“

Ich hatte mich entschieden, meine Zelte auf der Erde abzubrechen und nach Solqos auszuwandern. Es gab noch viel zu tun und Kaylee brauchte mich an ihrer Seite, um weise Entscheidungen zu treffen und die geplanten Veränderungen anzupacken.

Falko freute sich riesig, mich wiederzusehen, und wir ritten noch einmal zusammen aus, um auf unsere Weise Abschied zu nehmen und um frische Erinnerungen mitzunehmen.

Ich war sicher, es würde ihm auf Solqos ebenso gut gefallen, wie mir, und stellte mir vor, wie wir zusammen in Fovrier oder Helkar durch die herrliche solqonische Landschaft ritten, am Waldrand eine Pause machten, ich im See badete und Falko auf den saftigen Wiesen graste.

Ich stellte mir vor, wie die Kinder in Fovrier große Augen machen würden, wenn sie ihn sahen, und wie sie strahlten, wenn ich sie auf seinem Rücken saßen.

Alles würde gut werden. Die Zukunft war großartig und wir hatten es in der Hand, sie zu gestalten.
Ich sprach lange mit Sarah über die Zukunft und wir entschieden uns gemeinsam, dass sie den Hof weiterführen würde.

„Du kannst jederzeit vorbeikommen, wenn dir danach ist“, betonte sie, „ich werde dein Zimmer immer für dich freihalten.“

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Ich hatte mich entschieden, meine Zelte auf der Erde abzubrechen und nach Solqos auszuwandern. Es gab noch viel zu tun und Kaylee brauchte mich an ihrer Seite, um weise Entscheidungen zu treffen und die geplanten Veränderungen anzupacken.

Falko freute sich riesig, mich wiederzusehen, und wir ritten noch einmal zusammen aus, um auf unsere Weise Abschied zu nehmen und um frische Erinnerungen mitzunehmen.

Ich war sicher, es würde ihm auf Solqos ebenso gut gefallen, wie mir, und stellte mir vor, wie wir zusammen in Fovrier oder Helkar durch die herrliche solqonische Landschaft ritten, am Waldrand eine Pause machten, ich im See badete und Falko auf den saftigen Wiesen graste.

Ich stellte mir vor, wie die Kinder in Fovrier große Augen machen würden, wenn sie ihn sahen, und wie sie strahlten, wenn ich sie auf seinem Rücken saßen.

Alles würde gut werden. Die Zukunft war großartig und wir hatten es in der Hand, sie zu gestalten.

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Mehr über die starken Heldinnen in meinen Geschichten findet ihr in dieser Übersicht.

Isabella Buchfink

Isabella Buchfink ist ein Pseudonym. Sie schreibt Science Fiction, Thriller und Fantasy-Geschichten. Sie lebt im Süden Deutschlands und arbeitet im Realen Leben in der ungefährlichen Welt der IT. Neue Bücher sind in Bearbeitung und noch gehen ihr die Ideen nicht aus…

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