In meiner Geschichte Der Killer und das Mädchen treffen eine Einbrecherin und ein Auftragskiller bei einem Job aufeinander. Im Kapitel ‚Ein unerwartetes Zusammentreffen‘ begegnen die beiden sich zum ersten Mal.
Das Geld, das mir Caroline geliehen hatte, reichte natürlich nicht lange, Rechnungen mussten bezahlt werden und am Monatsende war die Miete für mein kleines Zimmer wieder fällig.
Mein Besuch im Jobcenter war ebenfalls nicht erfreulich. Ich hätte mich ja zur Not in irgendeinem Supermarkt an die Kasse gesetzt, aber man sagte mir sehr deutlich, dass ich wegen meiner Vorstrafen dafür nicht in Frage kam.
Mir fiel nur eine Lösung für das Problem ein, mit dem ich kurzfristig wieder zu Geld kam: ich musste tun, was ich am besten konnte, in irgendein Haus einsteigen, alles was irgendwie wertvoll war mitnehmen und hoffen, dass Blumenthal mir genug dafür bezahlte.
Matthias Blumenthal war der Inhaber eines kleinen Kiosks in der Stadt. Er verkaufte nicht nur seine Illustrierten und Tageszeitungen, Bier und Schnaps an Passanten und einen festen Stamm an Kunden. Nebenbei betrieb er einen Handel mit Diebesgut, mit dem er vermutlich deutlich mehr verdiente, als mit dem Rest seiner Waren.
Ich sah mich also nach einem möglichen Ziel um, wo ich einsteigen konnte und genug Beute machen konnte, um mir erst mal keine Gedanken machen zu müssen, bis ich etwas Besseres gefunden hatte. Ein Laden in der Fußgängerzone kam nicht in Frage. Die Kassen waren leer, wenn sie am Abend schlossen, und das Geld sicher im Tresor oder auf der Bank.
Aber ich kannte eine alte Villa in einem der Vororte, die mir schon vor einer ganzen Weile aufgefallen war. Eine hohe Hecke wuchs um das Grundstück und ein schmiedeeisernes Tor, das durch eine Überwachungskamera gesichert wurde, war der einzige Zugang
‚Alfons von Biegeling‘ stand an der Klingel. Das klang, als ob es ein alter und reicher Mann war, den ich besuchen und ausrauben wollte. Wenn ich Glück hatte, war er schwerhörig und bemerkte mich nicht einmal.
Ich wartete bis es dunkel wurde, klebte einen Kaugummi über die Kamera und kletterte über das Tor. Gebückt schlich ich zwischen den Büschen und Beeten des Gartens auf die Terrasse der Villa.
Ich kletterte an der Fassade hinauf auf den Balkon. Die Türe zu öffnen war ein Kinderspiel. Kurz darauf schlich ich mich in das Wohnzimmer.
Ich war überrascht, wie vornehm hier alles ausgestattet war. Das Wohnzimmer besaß große Panoramafenster, die einen atemberaubenden Blick auf die glitzernde Skyline der Stadt boten. Ein weicher Kaschmirteppich erstreckte sich unter meinen Füßen, während bequeme, maßgeschneiderte Möbel aus feinstem Leder und Samt zum Entspannen einluden. Die Wände waren mit abstrakter Kunst geschmückt, die ein Vermögen gekostet haben mussten.
Ich stand still und lauschte nach Geräuschen, doch es war alles ruhig. Von dem alten Mann war keine Spur zu sehen und zu hören.
Jetzt durchstöberte ich Schränke und Schubladen, fand ein Bündel Geldnoten in der Schublade und bemerkte einen Tresor, der in einer Ecke stand. Wahrscheinlich würde ich dort mehr finden, wenn ich nur wüsste, wie man ihn öffnete.
In dem Mantel, der an der Garderobe hing, fand ich die Geldbörse und leerte den Inhalt in einen Beutel.
Rasch durchsuchte ich die andern Zimmer. Das Schlafzimmer war eine Oase der Ruhe und des Komforts, mit einem üppigen Kingsize-Bett, das von weichen Daunendecken und Kissen umgeben war. Ein Ankleidebereich mit maßgefertigten Schränken bot reichlich Platz für die Garderobe, während das angrenzende Badezimmer mit Marmor ausgekleidet war und eine tiefe Badewanne und eine Dusche bereitstellte, um jeden Tag in Luxus zu beginnen.
Auf einer Kommode stand ein Schmuckkästchen. Goldene Ringe und Ketten, Diamanten, Perlen und ein goldenes Medaillon warteten nur auf mich.
Dann betrat ich die Bibliothek auf der gegenüberliegenden Seite des Flurs. Lange Reihen alter Bücher waren hier feinsäuberlich aneinandergereiht. Auf einem Tischchen brannte eine Lampe und in einem komfortablen Sessel saß der alte Mann.
Leise schlich ich mich wieder aus dem Zimmer. Er durfte mich auf keinen Fall bemerken, sonst war ich erledigt.
Ich wollte gerade die breite Treppe hinuntergehen und mich aus dem Staub machen, als plötzlich ein lauter Knall die Stille zerriss. Ich fuhr zusammen und konnte mir einen schrillen Schrei nicht verkneifen.
Wenige Augenblicke später blendete mich grelles Licht und ich starrte in die Mündung eines Revolvers.
„Nimm schön die Hände hoch“, befahl mir die Stimme eines Mannes, von dem ich nicht viel erkennen konnte. Er trug eine Maske vor dem Gesicht und trug eine Lederjacke und eine Baseballmütze.
Ich gehorchte fast automatisch und der Mann sah mich an.
„Wer bist du und was hast du hier verloren?“ zischte er mir zu.
„Ich bin Leonie“, antwortete ich, „und ich habe hier nach wertvollem Zeug gesucht.“
„Eine Einbrecherin“, stellte er fest, „nimm mit, was du tragen kannst. Auf dem Tisch neben dem Toten liegt noch eine goldene Taschenuhr. Und dann mach, dass du hier verschwindest. Ich habe die Alarmanlage zwar ausgeschaltet, aber man weiß nie, ob der Alte nicht vielleicht doch noch Besuch bekommt.“
„Okay“, antwortete ich völlig benommen, holte mir schnell noch die Uhr und folgte ihm hinaus ins Freie.
* * *
„Du hättest mich einfach auch erschießen können“, sagte ich zu ihm als ich mich nach dem Schock wieder erholt hatte.
„Es wäre vollkommen überflüssig gewesen“, antwortete er, „und du hast genau wie ich kein Interesse daran, das uns jemand auf die Spur kommt.“
„Trotzdem vielen Dank“, lächelte ich, „noch bin ich froh, dass ich lebe.“
„Es wäre ein Jammer gewesen“, fuhr er fort, „du bist hübsch, auch wenn du es unter einer harten Schale verbirgst.“
Wir gingen zusammen durch die Straßen und ich überlegte, ob ich ihn je wiedersehen würde. Er war ein cooler und sympathischer Typ, auch wenn er ein kaltblütiger Mörder war.
Eine Frau mit einem Hund kam uns entgegen.
„Mist“, flüsterte er, und zog mich in seine Arme, „wir sind jetzt nur ein romantische Liebespaar, völlig unverdächtig“, flüsterte er mir ins Ohr.
Ich hatte nichts dagegen.
„Guten Abend“, grüßte sie uns, als sie vorbei ging, und wir erwiderten den Gruß.
Er hielt mich länger im Arm, als es notwendig gewesen wäre, aber ich hatte nichts dagegen.
„Ich… schreib dir mal meine Nummer auf“, stammelte ich nervös und kritzelte sie auf einen Fetzen Papier.
„Du weißt, dass wir uns nicht wiedersehen sollten“, antwortete er und sah mir in die Augen.
Ich nickte nur. Er hatte Recht, doch mein Bauchgefühl rebellierte heftig dagegen.
Mehr über die starken Heldinnen in meinen Geschichten findet ihr in dieser Übersicht.