In der Fantasy-Geschichte Der Bund der Absonderlichen geht es um Mutanten, die ihre Gabe vor der Welt verstecken mussen. Carl entdeckt seine Gabe, seine körperlcihe Gestalt zu verändern, und wird zu Erynn.
In dem Kapitel ‚Wunden der Vergangenheit‘ begegnet sie Isabella, die leidvolle Erfahrungen mit Vorurteilen und Ausgrenzung machen musste.
Ich hatte nicht vor, mich länger zu verstecken, obwohl mir die Furcht, noch einmal in die Hände des Fürsten und seiner Gehilfen zu fallen, zur Vorsicht mahnte. Es zog mich hinaus ins Grüne und ich bat Kieran, mich zu begleiten.
Der Snissop Park lag im Südosten von East Glupt, nicht weit vom Hafen entfernt. An einem heißen Sommertag war es dort herrlich und zog viele Menschen an. Kinder spielten auf der Wiese, Familien trafen sich und saßen im Schatten unter den mächtigen Eichen und junge Paare flanieren auf den Kieswegen zwischen den Blumenbeeten.
Der Duft von Blüten belebte meine Sinne. Eine sanfte Brise strich über die weiten Wiesen, auf denen das Gras in einem satten Grün leuchtete und in der Sonne glitzerte wie ein Meer aus Smaragden.
Ich nahm Kieran an der Hand und wir mischten uns unter die Spaziergänger, die durch den Park gingen und die Schönheit der Natur betrachteten.
In der Mitte des Parks lag ein großer See. Das Wasser war so klar, dass ich die Kieselsteine am Grund erkennen konnte, und es glitzerte, als ob tausend kleine Diamanten auf seiner Oberfläche tanzten. Kinder lachten und spielten am Ufer oder plantschten im Wasser. Enten und Schwäne glitten mit sanften Bewegungen über das Wasser.
In der Nähe des Rosengartens, wo die Farben von Tiefrot bis Zartrosa reichten, blieben wir stehen und atmeten den süßen, betörenden Duft tief ein.
Die alten Eichen und Kastanien, die den Park säumten, spendeten angenehmen Schatten. In der Ferne war das Plätschern eines kleinen Springbrunnens zu hören, und das Summen der Bienen vermischte sich mit dem Zwitschern der Vögel zu einer friedlichen Melodie.
Ich hatte Lust, barfuß über die Wiese zu laufen und uns einen gemütliche Platz im Schatten der Bäume zu suchen. Kieran gefiel die Idee und wir verließen die Kieswege und gingen durch das Gras und die Wiesenblumen in einen Teil des Parks, der etwas abseits von Spaziergängern und spielenden Kindern lag.
Auch Isabella hatte einen ruhigen Platz in diesem Teil des Parks gewählt und war in ein Buch vertieft, als wir sie bemerkten und grüßten.
„Seid gegrüßt ihr beiden“, sagte sie und legte ihr Buch zur Seite, „setzt euch doch zu mir – falls ihr Lust auf die Gesellschaft eines alten Bücherwurms habt.“
„Gerne“, antwortete ich.
Wir setzten sie zu ihr auf die Wiese und sie schien dankbar über unsere Gesellschaft zu sein.
„Von alt kann bei dir ja keine Rede sein“, bemerkte er, „du siehst keinen Tag älter als zwanzig aus.“
„Danke für das Kompliment“, lachte sie, „wenn ich richtig mitgezählt habe, bin ich über 541 Jahre alt. Ich bin unsterblich und je älter ich werde, umso mehr entwickle ich mich zu einem einsamen Bücherwurm.“
„Aber das ist doch eine wunderbare Gabe“, wandte ich ein, „jeder hat Angst vor dem Tod und schiebt den Gedanken, alt und schwach zu werden, weit weg.“
„Sicher“, bestätigte sie, „aber irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem die Menschen um dich herum damit beginnen, Fragen zu stellen. Und wenn sie den Grund erfahren, warum du in den vergangenen Jahren nicht älter geworden bist, kann es richtig unangenehm werden. Ich hatte eine Familie, einen guten Mann, vier herrliche Kinder und eine niedliche Enkelin.“
Sie schwieg einen Moment und ihr Gesichtsausdruck war von Trauer und Schmerz erfüllt.
„Ich habe viele Menschen, die ich geliebt habe, sterben sehen“, fuhr sie fort, „und als mein Ehemann alt und schwach wurde, während ich noch immer in der Blüte des Lebens stand, ließ sich meine Gabe nicht mehr verleugnen. Die Menschen im Dorf begannen zu reden und sie bekamen es mit der Angst zu tun. ‚Sie ist von Dämonen besessen‘, sagte man über mich.“
„Menschen können manchmal grausam sein“, antwortete Kieran, „vor allem wenn jemand anders ist, als was sie für ’normal‘ halten.“
„Ich verstand es ja selber nicht. Schließlich war ich ja eine von ihnen, außer einem winzigen Detail. Ich wurde gemieden, bedroht und denunziert. Zuletzt machten die Dorfältesten dem Gerede ein Ende. Sie stellten mich zur Rede und machten mir deutlich, dass ich den Frieden unserer Dorfgemeinschaft mit meiner Anwesenheit stören würde, und legten mir auf drastische Weise nahe, zu verschwinden.“
Jetzt hatte sie Tränen in den Augen. Sie hatte eine außerordentliche Gabe, aber die Konsequenzen für ihr Leben waren schwer zu ertragen gewesen.
„Ich hätte zu gerne gesehen, wie meine Nachkommen aufwachsen. Die Angst der Menschen vor mir war so groß, dass sie nicht akzeptieren konnten, wie ich war. Danach habe ich nie wieder geliebt. Ich lebte einsam und zurückgezogen in irgendeinem Dorf und alle paar Jahre packte ich meine Habseligkeiten zusammen und zog weiter. Niemals blieb ich so lange an einem Ort, dass ich in Schwierigkeiten geriet. So landete ich schließlich in Nefaria, wo ich zum ersten Mal Menschen traf, die wie ich anders waren. Ich werde euch alle schrecklich vermissen, wenn es für mich wieder Zeit wird, weiterziehen und an einem anderen Ort wieder von vorne anzufangen.“
„Ich hoffe, dass in Nefaria bald eine Zeit anbricht, in der niemand wegen seiner besonderen Fähigkeiten mehr verfolgt wird“, sagte ich zu Isabella, „diese Ungerechtigkeit muss ein Ende haben. Alle Menschen sollen friedlich zusammenleben und ihre Gaben nicht länger verbergen müssen. Ich möchte voller Stolz mein Talent in unsere Gemeinschaft einbringen können und damit Gutes tun. Niemand muss vor uns Angst haben, nur weil wir anders sind. Wenn die Menschen das erkennen würden, könnten sie Vertrauen zu uns gewinnen und keiner müsste sich mehr vor denen fürchten, die anders sind.“
„Wenn ich etwas dazu beitragen kann, werde ich es gerne tun“, versprach Isabella, „ich bin es leid, immer wieder meine Heimat zu verlassen und im Verborgenen zu leben.“
„Das ist gut zu hören“, antwortete Kieran, „wir schmieden schon eifrig Pläne, wie wir unser Ziel erreichen können, und wir können jeden brauchen, der sich mit uns für eine Veränderung einsetzen möchte.“
Mehr über die starken Heldinnen in meinen Geschichten findet ihr in dieser Übersicht.