In NeuroM0rph muss die Protagonistin eine Entscheidung treffen: soll sie mithilfe der NeuroM0rph-Maschine ihr altes Leben, ihren gewohnten, männlichen Körper zurückbekommen und wieder zu Carl werden? Oder soll sie sich an ihr neues Leben als Caroline gewöhnen, die Verwandlung akzeptieren und stolz und selbstbewusst eine Frau bleiben?
Die Entscheidung fällt ihr nicht leicht und sie sucht Antworten, indem sie in sich geht. In der Kirche von Snellburgh trifft sie auf einen Pastor, der sich ihren Zwiespalt geduldig anhört, aber nicht gleich eine schnelle und einfache Antwort parat hat.
Hier die Szene „Identität ist eine Entscheidung“ aus „NeuroM0rph“, das Gespräch der beiden und ein kurzes Hörbuch-Video.
Wie ich es auch zuhause oft gerne hatte, wenn ich eine wichtige Entscheidung treffen musste, ging ich in die Kirche.
In Snellburgh gab es die moderne Markuskirche, wo ich in Ruhe nachdenken wollte, um eine Entscheidung zu treffen.
Die Kirche war anders, als ich es von Berlin gewöhnt war. Anstelle der unbequemen Holzbänke gab es hier bequeme Stühle, die in einem großen Halbkreis um den Altar angeordnet waren. Der Altar war mit Blumen von der Erde geschmückt und der Kerzenschein gab dem Raum eine Atmosphäre der Ruhe und des Friedens.
Ich setzte mich auf einen Stuhl und ließ die Stille auf mich wirken. Meine Gedanken wirbelten in meinem Kopf herum, und ich wollte in mich hineinhören und nicht Listen von Pros und Kontras erstellen, um zu einer Entscheidung zu kommen.
„Sei gegrüßt, junge Frau“, riss mich die Stimme eines Geistlichen aus meinen Gedanken, „möge der Herr dich segnen.“
„Hallo“, begrüßte ich ihn und lächelte, „es ist eine sehr schöne Kirche, die wir hier in Snellburgh haben.“
„Ja, das ist sie, auch wenn heutzutage nicht mehr viele Menschen auf Gottes Stimme hören. Wenn ich etwas tun kann, sag einfach Bescheid.“
„Danke“, antwortete ich, „leider hat die Stimme noch nicht zu mir gesprochen. Ich muss eine wichtige Entscheidung für mein Leben treffen und ich befinde mich in einem Zwiespalt.“
„Möchtest du darüber reden? Oft hilft es schon, wenn man seine Gedanken in Worte fassen muss.“
Er setzte sich zu mir und ich begann, ihm meine ganze Geschichte zu erzählen. Ich begann mit meinem Hack in Berlin und meiner Verwandlung, von meiner Reise nach Siuq J254, meiner Arbeit bei NeuroGenix, den Modifikationen, die wir durchführten, und meiner Chance, wieder ein Mann zu werden.
Er hörte mir aufmerksam zu und ich hatte das Gefühl, dass er mich verstand und mit meinem Zwiespalt mitfühlen konnte.
Als ich ihm alles erzählt hatte, was geschehen war und mich bewegte, schwiegen wir lange, doch es war ein Schweigen, das nicht von Ratlosigkeit oder Distanz herrührte.
„Du bist eine mutige, intelligente und besonnene junge Frau“, sagte er schließlich zu mir, „und deine Entscheidung ist nicht leicht. Wir glauben, dass Gott uns aus lauter Liebe geschaffen hat und dass jedes Leben ein perfektes Bild von ihm ist. Auch wenn ich verstehen kann, dass mit dieser Maschine sehr viel Leid, Krankheiten und Missbildungen geheilt werden können, halte ich es für fatal, wenn wir versuchen, seine Schöpfung zu verbessern.“
Ich dachte an Bettina und Noemi, die ihre Körper noch perfekter machen wollten, und an Victoria, die es mit ihren Verjüngungen maßlosen übertrieben hatten.
„Ich kann gut verstehen, dass du ungeschehen machen willst, was mit dir geschehen ist“, fuhr er fort, „doch Gott hat dich wunderbar erschaffen und dich mit Fürsorge und einem weiten Herz gesegnet. Das ist, was wirklich zählt, nicht das Äußere. Danke Gott für dein Leben und lerne, dich zu akzeptieren so wie du bist. Nur so kannst du wirklich Frieden finden.“
Mehr über die starken Heldinnen in meinen Geschichten findet ihr in dieser Übersicht.