Mein neustes Werk: Das Herz des Ozeans. Hier eine kurze Leseprobe: die erste Begegnung von dem Fischer Pedro und der Meerjungfrau Marina.
10.6.2025:
Ich habe heute drei Videos, die das Kapitel als Mini-Hörbuch vorstellen, auf die Webseite geladen. Viel Spaß!
Nach meinem ersten Besuch in der Welt der Menschen am Strand zog es mich immer wieder dorthin. Meistens brachte Lysia mich hin, doch ein paarmal schwamm ich auch in der Abenddämmerung ans Ufer, holte meinen Badeanzug aus dem Versteck und sah mich neugierig um.
Inzwischen hatte ich allerlei wundersame Dinge gefunden, die dort zurückgelassen worden waren, wenn die Sonne unterging und die Menschen den Strand wieder verließen. Von den meisten Sachen hatte ich nicht die leiseste Vorstellung, wozu sie dienten, doch sie faszinierten mich und zogen mich magisch an. Von den durchsichtigen Röhren fand ich noch einige mehr, dazu kleine, eckige Schachteln aus einem leichten Material und einen Schuh, der für meine Füße allerdings viel zu groß war.
Einige der glänzenden Dosen rochen erbärmlich und ich legte sie wieder zurück in den Sand zurück.
Bald hatte ich einen ganzen Haufen dieser merkwürdigen Sachen zusammengetragen und betrachtete nachdenklich meine Beute. Wozu sie wohl gut waren?
Plötzlich hörte ich die Stimme eines Unbekannten hinter mir und fuhr erschrocken hoch.
„Du kannst alles hier in diesen Müllsack stopfen. Es ist unbegreiflich, was die Leute so alles wegwerfen.“
„Oh… hi!“ stammelte ich völlig überrumpelt, „ich wollte… kann ich die Sachen nicht behalten? Sie sind… faszinierend!“
Er sah mich staunend von oben bis unten an.
„Wer bist du?“ fragte er mich sichtlich bewegt, „du bist keine der Badegäste, die aus den Dörfern hierher kommen.“
Dörfer? Nein, die kannte ich nicht. War das der Ort, wo die Menschen lebten?
„Ich bin Marina“, antwortete ich, „unser Volk lebt nicht in den Dörfern. Es tut mir Leid wenn ich etwas genommen habe, das mir nicht gehört.“
„Keine Sorge“, grinste er, „das ist alles nur wertloser Müll, den die Menschen weggeworfen haben. Ich bin Pedro und lebe in dem kleinen Häuschen dort hinten. Es ist schrecklich, dass die Leute ihren ganzen Müll hier verstreuen. Wenn die Flut kommt, wird das alles ins Meer gespült und manchmal sterben die Fische, wenn sie etwas von dem Unrat verschlucken.“
Das konnte ich verstehen. Immer wieder hatte mir eine der Sardinen davon erzählt. Vielleicht hatte Hydra doch Recht, wenn sie uns vor der Gefahr warnte, die von den Menschen ausging.
Pedro allerdings schien mir anders zu sein. Ihm war es nicht egal, was mit den Fischen passierte, und er war freundlich und einfühlsam. Von ihm ging ganz sicher keine Gefahr aus und ich beschloss, ihm zu vertrauen.
„Erzähl mir mehr von den Menschen“, bat ich ihn, „ich weiß so wenig über euer Leben und den merkwürdigen Dingen, die ihr habt. Bitte!“
„Gerne“, antwortete er, „und ich würde gerne etwas über dich erfahren, woher du kommst und wo du lebst. Du bist die Meerjungfrau, die ich neulich hier gesehen habe, und du bist auf einem Delphin davongeritten.“
„Sie heißt Lysia“, erzählte ich und lächelte, „sie ist eine gute Freundin von mir und wir schwimmen oft miteinander spazieren.“
„Oh, du kannst mit den Tieren des Meeres reden?“ staunte Pedro.
„Du etwa nicht?“ wunderte ich mich, „Delphine sind wirklich schlaue Tierchen, im Gegensatz zu den Krebsen und den kleineren Fischarten. Du kannst dir nicht vorstellen wie dämlich Garnelen sind. Wenn man mit ihnen spricht, dreht es sich immer nur ums Essen.“
„Ha ha, das kann ich mir vorstellen“, lachte er, „komm, ich zeige dir, wo ich wohne. Wir können es uns auf der Terrasse gemütlich machen, ich mach uns was zu essen und wir können reden.“
„Das wäre schön! Ich habe so viele Fragen!“
* * *
Wir saßen auf der Terrasse von Pedros kleinen Häuschen, redeten und lachten. Er hatte angeboten, mir eine Fisch zu grillen, doch das hatte ich abgelehnt. Allein die Vorstellung, dass ich einen meiner Freunde verspeisen würde, war gruselig. Stattdessen schnitt er frisches Brot auf und stellte eine Auswahl von Früchten auf den Tisch: Äpfel, Bananen, Orangen und Pfirsiche.
Ich musste von allem kosten. So viel leckeres Obst gab es auf dem Land zu essen, und Pedro erklärte mir, dass ich noch längst nicht alles gesehen hätte.
„Du musst mal Honigmelonen probieren“, sagte er und lächelte, „die schmecken herrlich. Aber ich bin ja alleine und die Früchte verderben zu schnell, wenn man sie nicht isst.“
Ich hatte unheimlich viele Fragen und er beantwortete sie geduldig. Es war aufregend, so viel Neues zu erfahren.
Und auch ich erzählte ihm von meinem Leben im Meer, von Lysia und einigen anderen meiner tierischen Freunde und von meiner Freundin Sirena, die mich zu meiner Entdeckungsreise an den Strand ermutigt hatte, von Muriel, die von den Menschen nur mit Angst und Abscheu sprach, und von Seirus, dem König der Meeresbewohner, und seiner Burg auf dem Grund des Ozeans.
„Ich glaube, ich habe Sirena schon singen hören“, erinnerte sich Pedro, „ich dachte, es wäre ein Mädchen aus dem Dorf gewesen, doch ich habe sie nicht gesehen. Als ich ihrem Lied folgte und an die felsige Küste kam, war sie plötzlich still.“
„Muriel hat uns eindringlich vor den Menschen gewarnt“, antwortete ich, „und Sirena ist zwar so mutig, oft an Land zu kommen, aber nicht leichtsinnig.“
„Ja, das ist zweifellos klug“, bestätigte Pedro, „wir Menschen betrachten alles, was uns fremd ist, mit Argwohn. Eine singende Meerjungfrau würde viel Aufsehen erregen und es wäre für sie sehr gefährlich, wenn sie den falschen Menschen begegnen würde. Im schlimmsten Fall würde man sie einsperren und in einem Zirkus als Kuriosität vorführen.“
„Was ist ein Zirkus?“ fragte ich ihn neugierig.
„Das erkläre ich dir ein anderes Mal“, lachte er.
* * *
Die Sonne war längst untergegangen und wir saßen im Kerzenschein auf der Terrasse seiner Hütte. Erst als Pedro zu gähnen begann, fiel mir auf, wieviel Zeit inzwischen vergangen war.
„Ich sollte mich wieder auf den Heimweg machen“, sagte ich zu ihm, „vielen Dank für den wunderschönen Abend und das leckere Essen!“
„Werden wir uns wiedersehen?“ wollte Pedro wissen, „ich habe mich zum ersten Mal seit langer Zeit wirklich gut gefühlt.“
„Das werden wir“, versprach ich ihm, „ich weiß ja, wo ich dich finde.“
Er zündete eine Fackel an und ich staunte, wie hell sie leuchtete. Muriel hatte uns von dem Feuer erzählt, das die Menschen benutzten, und uns mit eindringlichen Worten davor gewarnt. Die Fackel, die unseren Weg zum Strand beleuchteten, sah kein bisschen gefährlich aus.
Am Strand verabschiedeten wir uns und ich sprang ins Wasser. Staunend sah er mir zu, als meine Beine sich im Wasser wieder zu meiner Schwanzflosse verwandelten, und er winkte mir lächelnd zu, als ich in die Tiefe tauchte und nach Hause schwamm.
Mehr über die starken Heldinnen in meinen Geschichten findet ihr in dieser Übersicht.