‚Wie weit würdest du gehen?‘ ist die Überschrift des zweiten Kapitels der Geschichte Eine unglaubliche Prüfung. Nathan trifft den Zauberer Mortas Shackleton, der ihm einen ziemlich drastischen Weg zum Erfolg anbietet.

Nathans ganzes Leben wird komplett auf den Kopf gestellt und er muss sich einigen unglaublichen Herausforderungen stellen…

Versteckt am Rand von Elarys wo die letzten Häuser in unberührte Wildnis übergingen lag die Akademie der Zauberei. Sie lag nahe am Waldrand – einer Grenze zwischen unserer Welt und etwas, das sich nie ganz greifen ließ.

Die hohen, von Efeu umrankten Mauern wirkten alt, älter als die Stadt selbst.

Die Akademie der Zauberei

Im Inneren herrschte eine eigentümliche Stille, als würde das Gebäude selbst den Atem anhalten. Die Luft war erfüllt von dem leicht modrigen Geruch alter Bücher, vermischt mit dem metallischen Hauch von Apparaturen. Lange Korridore erstreckten sich in ein diffuses Dämmerlicht, unterbrochen von hohen Fenstern, durch die das fahle Sonnenlicht hereinfiel.

Mortas Shackleton erwartete mich bereits und er führte mich in einen Raum, der mehr an ein Laboratorium als an Klassenzimmer erinnerte. Merkwürdige Geräte standen in den Regalen, über die Tische lagen unzähligen Notizen verstreut und an den Wandtafeln standen magische Formeln, die für mich völlig unverständlich waren.

Mortas Shackleton war der älteste und wohl eigenartigste Lehrer der Akademie. Er war eine Legende – nicht nur wegen seines Alters, das niemand genau kannte, sondern auch wegen seiner unberechenbaren Lehrmethoden. Seine langen, knochigen Finger waren von Tintenflecken bedeckt, als hätte er sich gerade aus einem uralten Folianten gekämpft, sein zerzauster Bart hing ihm bis zur Brust und er roch nach Pergamentstaub und rätselhaften Kräutern. Sein Umhang war zerfleddert, voller Rußflecken und winziger Brandlöcher – Folgen missglückter Experimente.

„Nathan Bennett“, begrüßte er mich, „ich habe dich schon erwartet. Malina hat mir von deinem besonderen Anliegen berichtet. Ich muss gestehen, dass ich deine Musik nicht kenne, obwohl ich früher selber ein recht passabler Lautenspieler gewesen bin.“

Seine Stimme klang wie das Knistern brennender Pergamentseiten – brüchig und doch voller Energie. Seine Augen waren das Bemerkenswerteste an ihm: blassgrau, beinahe silbern, als könnte er tief in meine Gedanken blicken.

Er räumte ein paar alte Bücher von einem Stuhl und bat mich, Platz zu nehmen.

Ich sah mich neugierig um. Es kam mir vor, als wäre ich in einer vollkommen anderen Welt gelandet. Die Akademie schien aus einer anderen Zeit zu stammen, die so gar nicht zu der modernen Welt der modernen Metropole passte.

Shackleton sah mich schweigend an bevor er schließlich zu sprechen begann.

„Mein lieber Junge“, sagte er zu mir und es klang nicht herablassend, sondern fürsorglich, fast als würde mein Großvater mit mir reden, „was hast du auf dem Herzen?“

„Musik ist meine größte Leidenschaft“, erklärte ich ihm, „ich liebe es, zu singen und meine Gefühle mit Liedern auszudrücken. Ich bin damit ganz gut im Geschäft, doch ich mache mir Gedanken über die Zukunft. Ich kann mir mein bequemes Leben nicht auf Dauer leisten und ich will nicht einer von vielen sein, die um den Platz an der Spitze kämpfen. Ich möchte mit meiner Musik die Menschen wirklich erreichen und ganz nach oben kommen. Talent, Fleiß und Kreativität alleine nützen mir dabei nicht viel. Ich habe viel größere Ziele.“

„Du erreichst die Menschen nur, wenn du einer von ihnen wirst“, antwortete er, „deinen Wohlstand hast du dir nicht selbst verdient, sondern hast ihn geerbt. Du lebst nicht bei den Menschen, sondern in einer elitären Blase, bist umgeben von Freunden, die wie du zu den Privilegierten gehören, und kennst die Gedanken, Gefühle, Ängste und Nöte der Menschen, die du mit deiner Musik erreichen willst, nicht wirklich.“

Er hatte damit vollkommen Recht. Es war lange her, dass ich tatsächlich mit meinen Fans Kontakt gehabt hatte, wie ein normaler Mensch in die Kneipe um die Ecke gegangen war oder selbst in Elarys durch die Stadt gebummelt war und eingekauft hatte.

„Das ist wahr“, antwortete ich, „meine Welt ist eine andere, als die meiner Fans. Doch was kann ich tun, um herauszufinden, was sie wirklich bewegt? Das Orakel hat von einer Prüfung gesprochen…“

„Wie weit würdest du gehen?“ fragte mich Shackleton, „bist du bereit, dich der Prüfung zu stellen, um selbst zu erfahren, was die Menschen bewegt?“

„Ich würde alles tun, was dazu notwendig ist“, antwortete ich voller Überzeugung. Wenn es einen Weg gab, meine Fans zu erreichen und sie tatsächlich zu verstehen, wollte ich ihn gehen. Ich wollte Musik machen, die sich verkaufte und die Herzen der Menschen ansprach – das war mein allergrößtes Ziel.

Mortas Shackleton

Shackleton nickte und lächelte.

„Es gibt einen Weg“, erklärte er mir, „aber es wird für dich nicht leicht werden. Du musst einer von ihnen werden und selbst erleben, was sie bewegt. Doch wenn du die Prüfung besteht, wirst du die Herzen der Menschen erobern und mit deiner Musik erfolgreicher sein, als du es dir jemals vorgestellt hast.“

„Das klingt wie ein Plan“, antwortete ich, „Geld spielt dabei keine Rolle – ich gebe ständig große Beträge für Marketing aus. Wenn ich dadurch mehr verkaufen kann, ist das eine gute Investition.“

„Was bedeutet schon Geld“, brummte Shackleton, „meine Zauberkraft kostet dich nichts.“

„Umso besser. Was muss ich tun?“

„Wenn du es wirklich willst“, antwortete er, „musst du es mir nur klar und unmissverständlich sagen. Menschen wie du schicken gerne ihre Anwälte, wenn etwas nicht so läuft, wie sie es sich vorgestellt haben. Doch du musst dir der Konsequenzen bewusst sein – mein Zauber wird dein Leben vollkommen verändern. Das ist der Preis, den du bezahlen musst, und wie hoch er ist hängt nur von dir selber ab.“

„Das klingt für mich wie ein fairer Handel. Ich bin bereit, diese Prüfung zu absolvieren. Ich bin offen für Veränderungen und ich will es unbedingt versuchen.“

„Dann soll es so sein“, sagte er und sah mich dabei auf höchst merkwürdiger Weise an, die irgendwie ein bisschen gruselig war.

Aber mein Entschluss stand fest. Ich würde die Prüfung schon bestehen und jeder Preis war in Ordnung, wenn ich mein Ziel erreichte.

„Und jetzt?“ wollte ich wissen.

„Wenn du bereit bist, kann ich den Zauber jederzeit ausführen“, antwortete er.

„Ich bin bereit.“

Der Zauberer erhob sich langsam und kam auf mich zu. Er hob die Arme und schleuderte einen Zauber in meine Richtung.

Er traf mich mit voller Wucht, stieß mich zu Boden und ich verlor das Bewusstsein.


Mehr über die starken Heldinnen in meinen Geschichten findet ihr in dieser Übersicht.
 
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Isabella Buchfink

Isabella Buchfink ist ein Pseudonym. Sie schreibt Science Fiction, Thriller und Fantasy-Geschichten. Sie lebt im Süden Deutschlands und arbeitet im Realen Leben in der ungefährlichen Welt der IT. Neue Bücher sind in Bearbeitung und noch gehen ihr die Ideen nicht aus…

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